Die Worte und Gesten von François Gremaud

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Der Schweizer Künstler François Gremaud präsentiert gleich zwei Inszenierungen in Form scherzhafter Kurse zur klassischen Tragödie (Phèdre!) und erzähltem romantischem Ballett (Giselle…). Wenn Gelehrsamkeit auf Freude trifft.

Mit zwei Wochen Abstand präsentieren Le Carreau in Forbach und Le Maillon in Straßburg zwei Stücke von François Gremaud, die zu einer Trilogie rund um große Frauenfiguren mit tragischem Schicksal gehören.Die Meisterwerke, mit denen er sich beschäftigt, Phèdre von Racine und Giselle von Théophile Gautier – vervollständigt von Carmen von Bizet – sind aus einer Liebe entstanden: Jener für Mademoiselle de Champmeslé, die Geliebte des französischen Tragödienschriftstellers und jener zu Carlotta Grisi, die ihr Leben lang vom parnassischen Dichter verehrt wurde. Anhand des geringsten Details, gebildeten Anekdoten und einer echten Liebe für das Teilen von Wissen bietet er die Möglichkeit, diese Monumente des Theaters und des Balletts zu durchstreifen die von… einem einzigen Schauspieler erzählt werden! Oden an die Interpreten, „Schleuser der Verwunderung und unaussprechlicher Emotionen“, die den Regisseur erfassen, wenn er sie betrachtet. Indem sie so tun als ob sie den Kontext und die Geschichte ihrer jeweiligen Werke weitergeben, tauchen Romain Daroles und Samantha van Wissen in das Schmuckstück ein, das von François Gremaud wie ein maßgeschneidertes Geschenk für ihre Bühnenkunst gezeichnet wurde. Keiner der beiden kann der Versuchung widerstehen ihrem ergreifenden Enthusiasmus Leben einzuhauchen, so dass die Französisch-Stunden am Gymnasium wie Folter-Sitzungen als Erbe aus der Zeit der Mönche erscheinen. Als ausgezeichneter Sprecher bewegt sich Romain Daroles mit Freude zwischen den Alexandrinern, verrät die mythologischen Ursprünge der Protagonisten ebenso wie den leidenschaftlichen Elan, der sie bewegt. Dem Theater des 17. Jahrhunderts wird hier wie selten eine neue Dynamik verliehen.

GISELLE… ©Dorothée Thébert Filliger


Dasselbe meta-theatralische Rezept wird für Giselle angewandt… ohne ätzende Pädagogik aber mit einer subtilen und köstlichen Art und Weise das aufzuklären was Geste und Sinn ausmacht. Eine Wohltat an Sensibilität im Eiltempo. Eine Art eine eigene Welt auf der Basis von Kleinigkeiten zu öffnen, die den Zuschauer die nächsten Ballette mit anderen Augen sehen lassen wird. Die Kunst das auszusprechen, was uns durcheinanderbringt und uns in einer Radikalität der Mittellosigkeit aktiviert. Das Talent der ehemaligen Tänzerin Anne Theresa De Keersmaeker liegt in ihrer Fähigkeit, ihre Sensibilität in den nackten Bühnenraum einzuführen um einzig in unseren Köpfen dieses romantische Ballett entstehen zu lassen, dessen Musik live von vier Musikern gespielt wird. Sie verleiht der Pantomime und ihren vergessenen Interpretationen ihren Adelsbrief, vereitelt unsere Erwartungen durch Worte und bringt einige aktuelle frauenfeindliche Lektüren an ihre Grenzen. Aus dieser orchestrierten Frustration entsteht eine Freiheit der Vorstellungskraft voller Leidenschaft und Melancholie, wie die Zurückweisung einer gewissen Entzauberung der Welt. Eine Hymne an die Schönheit, die sich manchmal hier und dort versteckt und nur darauf wartet entdeckt zu werden um besser zu erstrahlen.


Phèdre ! von François Gremaud, im Carreau (Forbach) am Dienstag den 12. und Mittwoch den 13. April (in Französisch mit deutschen Übertiteln)
carreau-forbach.com

Giselle… von François Gremaud, im Maillon (Straßburg) vom 27. bis 30. April (in Französisch mit deutschen Übertiteln)
maillon.eu
> Kulturbus Offenburg / Straßburg, Mittwoch 27.04.

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