Schall und Rauch im Kunsthaus Zürich, zurück in die Zwanziger Jahre
Mit Schall und Rauch blickt das Kunsthaus Zürich auf den Aufruhr und den Wunsch nach Brüchen in den Zwanziger Jahre zurück. Eine Suche nach der Welt danach.
Leidenschaftlich. Das ist das Bild, das man vom Swing einer Joséphine Baker vor Augen hat. So ist auch die Atmosphäre, die den Rhythmus der 1920er illustriert. In der Nachkriegszeit modernisiert sich die Gesellschaft und der Konsum der Privathaushalte nimmt zu. Es entstehen, zum Beispiel, Freizeitaktivitäten für Arbeiter und die ersten elektronischen Haushaltsgeräte revolutionieren das Zuhause. Neue künstlerische und architektonische Stile entstehen. Jazz, Art déco, Modernismus oder auch Dadaismus… In dieser überschäumenden Zeit wachsen die Städte. Die Frankfurter Küche der Architektin Schütte-Lihotzy popularisiert einen von den Wohnräumen der Arbeiter getrennten Bereich, der attraktiv werden muss. Die Recherchen und Optimierungsprozesse sind vom Taylorismus inspiriert, der damals in der Industrie en vogue ist. Diese Energie einer Welt im Wandel, die man im Bauhaus wiederfindet, erreicht ihren Höhepunkt in den Projekten des Architekten Ludwig Mies van der Rohe. Als Antwort auf die Wohnungsnot, die in Deutschland herrscht, passen sich die Wohneinheiten an die Größen und Anforderungen der Familien an. Das Gerüst des Gebäudes wird metallisch, so dass die tragenden Wände nach außen verlegt werden können und eine Anpassungsfähigkeit der Innenräume möglich wird.
Diese Flexibilität findet man in den Möbeln von Le Corbusier wieder. Der Designer der Modernität realisiert 1928 gemeinsam mit Pierre Jeanneret und Charlotte Perriand ein Modell für Sitzmöbel. Unter dem Namen Fauteuil Grand Confort vereint er Stahlrohre und versetzbare Lederkissen. Ihre Recherchen zu einem Programm mit Fächern, Stühlen und Tischen, die sie beim Salon d’Automne de Paris im Jahr 1929 vorstellen, werden schließlich industriell gefertigt. Die Benutzung des Sessels, der in einer kleinen und großen Version existiert, wird zum integralen Bestandteil des Möbeldesigns und verleiht ihm Leben. Das große Modell ist eher für Frauen gedacht, die die Beine überschlagen und damit mehr Platz ein- nehmen, während das kleine Modell für die gerade Position der Männer entworfen wurde, was das Kräfteverhältnis der Geschlechter umkehrt. Architektur und Mobiliar begleiten die Entwicklung der Städte und passen sich an sie, die Haushalte und ihre Nutzung an. Diese wissenschaftlichen und künstlerischen Innovationen zeugen von einer Periode, in der Experimentieren den Kern des Schaffensprozesses ausmachte. Im Laufe der Ausstellung werden die Werke anhand von soziokulturellen statt gattungsspezifischen Themenblöcken vorgestellt (Abschied vom Kriegstrauma, Rausch der Bewegung, etc.). Zeitgenössische Künstler wie Thomas Ruff und seine photographischen Arbeiten stellen eine ästhetische und thematische Verbindung mit dieser Zeit her, um daran zu erinnern, dass die sozialen und ökonomischen Realitäten der Vergangenheit nie weit entfernt sind.
Im Kunsthaus (Zürich), vom 3. Juli bis zum 11. Oktober
kunsthaus.ch