Sophies Entscheidungen: Taeuber-Arps Lebensweg im Kunstmuseum Basel
Mit mehr als 250 Werken rekonstruiert Gelebte Abstraktion den Lebensweg von Sophie Taeuber-Arp, einer vielschichtigen Pionierin der Kunst.
Nachdem sie lange im Schatten ihres berühmten Mannes stand, steht Sophie Taeuber-Arp (1889-1943) im Fokus dieser breitgefächerten Retrospektive, die chronologisch aufgebaut ist (realisiert in Kooperation mit dem Museum of Modern Art in New York und der Tate in London). Sie zeigt die unglaubliche Vielfalt einer Kreation, in der die Grenzen zwischen den Genres aufgehoben sind. Sehr nüchterne Möbel vom Ende der 1920er Jahre, Wandteppiche, Reliefs und viele andere Medien begegnen sich harmonisch in einem Rundgang, der direkt vor dem Ersten Weltkrieg beginnt. Sie studiert damals an der Debschitz-Schule1 in München, denkt sich Geldbeutel, Ketten oder Kissenbezüge aus, in denen sich elementare Formen verschachteln – ganz entgegen den damals modischen Blumenmotiven – deren Vorskizzen mit Buntstift oder Gouache überraschende abstrakte Werke sind, die eine Art Matrix für das spätere Werk darstellen können. Im Jahr 1918 kreiert die Künstlerin Dada-Marionetten für die Darbietung des König Hirsch, für den René Morax eine Version aus dem 18. Jahrhundert von Carlo Gozzi adaptiert, eine Parodie auf die Psychoanalyse mit Figuren wie Freudanalytikus. In einer Vitrine schweben ergreifende moderne Kreaturen aus gedrechseltem Holz.
Für Sophie Taeuber-Arp ist die Abstraktion eine gelebte Erfahrung (die täglich angewandt wird): Diese Vision der Welt erschallt in L’Aubette (1928), einer echten „Sixtinischen Kapelle der abstrakten Kunst“2 , der ein großer Saal gewidmet ist. In diesem Gebäude in Straßburg kümmerte sie sich um die Teestube, die Aubette-Bar und die Foyer-Bar.3 Von diesem radikalen Abenteuer zeugen Kompositionen, in denen sich blaue, schwarze und weiße Flächen radikal anordnen, Photographien und geometrische Glasfenster. Der weitere Rundgang ist ein faszinierendes Eintauchen in die Avant-garde, das es erlaubt die formelle Kraft einer Künstlerin zu entdecken, die erst zur Gruppe Cercle et Carré gehört, dann zum Verein Abstraction-Création, der Verbindungen zum Konstruktivismus unterhält. Verlangen nach reinen Farben, rhythmischem Aufbau verschiedener Formen in Kompositionen, die mit der Dialektik Ausgeglichenheit / Unausgeglichenheit spielen, sorgfältig ausgearbeitete Bildräume, Échelonnements, die elegant Wellen schlagen, Zeichnungen aus dem Exil nach 1940, durch die sich die bunten Linien bis zur Besessenheit schlängeln… Die Werke der Künstlerin antworten auf ein Wesen, das zwischen Jubel und Strenge hin und her schwankt: „Die Formen laden, durch ihre Schlichtheit, ihre Stille, ihre Art sich selbst zu genügen die Hand ein, wenn sie geschickt ist, sich ihrer eigenen Sprache zu bedienen, die oft nur ein Murmeln ist“, schrieb Kandinsky über ihre Reliefs aus den 1930er Jahren.
Im Kunstmuseum Basel Neubau, bis zum 20. Juni
kunstmuseumbasel.ch
1 Von den Idealen der Arts & Crafts-Bewegung beeinflusst, legte die Pädagogik der Einrichtung Wert auf die Nähe zwischen manueller Arbeit und Kunst, um eine Alternative zur seelenlosen Industrieproduktion anzubieten
2 Der Ausdruck wurde von Hans Haug geprägt, dem Gründer und ehemaligen Direktor der Straßburger Museen
3 Jean Arp und Theo van Doesburg gestalteten weitere Räume